Was halten Sie den Leuten entgegen, für die Agilität bloß ein Buzzword ist?
Dass Agilität in vielen Fällen nachweislich zu einer höheren Zufriedenheit bei Mitarbeiter*innen und Endkund*innen führt. Warum? Weil man sich in vielen kleinen, aber sichtbaren Schritten einem Ziel nähert. Man darf sich ausprobieren, Fehler machen und kann Feedback schneller einbauen. Damit passt sich der Markenauftritt flexibel den Bedürfnissen der Kund*innen an.
Wenn eine agile Transformation gelingt, hat man Prozesse, die gleichzeitig hochflexibel und stabil sind. Das führt zu signifikant besseren Geschäftsergebnissen. Und Agilität wirkt sowohl projektbasiert als auch für mehrere Teams oder die gesamte Organisation.
Ist agiles Marketing für jede Art von Organisation sinnvoll?
Marketing profitiert in beinahe allen Bereichen stark von der Digitalisierung – insbesondere von den Daten, die man dadurch auswerten kann. Deswegen harmoniert die Digitalisierung per se gut mit agilen Arbeitsweisen, die unter anderem bei der Reaktionsschnelligkeit und Kundenzentrierung helfen.
Wie groß der Mehrwert ist, den ein agil aufgestelltes Marketing einer Organisation bringt, hängt auch von der Art der Agilität ab: Sehr spitze Frameworks wie Scrum können unter ganz speziellen Bedingungen Vorteile bringen. Eher adaptive Frameworks wie Kanban kann man hingegen gut mit bestehenden Strukturen und Prozessen verknüpfen.
Erfahrungsgemäß arbeiten gerade im Marketing viele Teams schon relativ agil „by nature“. Da geht es oft mehr darum, die bestehenden Prozesse explizit zu machen und die Arbeitsweise zu stabilisieren und zu synchronisieren – hin zu einer kontinuierlich und schnell lernenden Organisation.
Wie vermeidet man es, in typische Fallen zu laufen?
Ganz typisch: Man möchte agil arbeiten, aber die Einführung des agilen Arbeitens selbst ist nicht agil. Zum Beispiel, weil den Teams die Prozesse einfach übergestülpt werden. Viel effektiver ist es, gemeinsam Prozesse zu definieren, die zu den Teams passen. Man sollte auch nicht zu viel auf einmal ändern, sondern zunächst kleinere Experimente wagen. Externer Support kann dabei sehr hilfreich sein.
Was sind Ihre wichtigsten Tipps, um als Organisation und im Marketing agiler zu werden?
Der Mensch an sich sollte über den inhaltlichen und fachlichen Themen stehen. Man passt Prozesse an die eigenen Team-Bedürfnisse an und nicht die eigene Arbeitsweise an einen Prozess. Das tut der Teamkultur gut. Man schaut dann mehr aufeinander und die Zusammenarbeit verbessert sich – Hand in Hand mit der Motivation.
Nach außen hin stellt man die Endkund*innen in den Mittelpunkt. Im Idealfall sehen diese dann eine Marketing-Kommunikation, die sie nicht als nervige Werbung wahrnehmen, sondern als Bereicherung, weil sie genau in dem Moment zu ihren Bedürfnissen passt – wodurch sie konvertieren. Das ist dann wiederum für das Team sinnstiftend.
Was ist für Sie ein positives Beispiel für agiles Marketing?
Im Marketing von Zalando wird eine Kampagne kontinuierlich weiterentwickelt und angepasst – schon während sie ausgerollt wird. Bei Bedarf wird sogar die kreative Route verändert und die Kommunikation in Echtzeit auf die verschiedenen Zielgruppen in den unterschiedlichen Märkten und Kanälen angepasst.
Dinge, die in der klassischen Vorgehensweise nacheinander stattfinden – beispielsweise Kreation, Produktion und Amplifikation – werden zusammengedacht und teilweise auch zeitgleich gemacht. Dadurch wird man zwischen Faktor zwei und Faktor fünf schneller. Das ist eine Art von agilem Marketing, das crossfunktional umgesetzt wird und zu einer hohen Effektivität führt.
Zur Person
Julia Kümmel (zum LinkedIn-Profil) ist Co-Maker bei “making things happen” und berät Unternehmen in den Feldern Digital Consulting, Agile Coaching und Organizational Design. Zuvor war sie unter anderem im Social Media Marketing von Axel Springer und als Global Digital Marketing Lead bei Zalando tätig.